Kapitel 2
Ich war an diesem Ort geboren und verbrachte schon mein ganzes Leben unter der Erdoberfläche. Die Welt dort draußen, wenn es noch eine gab, war ganz sicher nicht mehr die, die sie vor Jahrzehnten gewesen war.
Als die Sonne meinte, sie müsste implodieren. Als alles den Bach runter ging. Als die Berechnungen und Voraussagungen der klügsten Wissenschaftler und Astronomen Wirklichkeit wurden.
Als das passierte, wovor die Menschheit am meisten Angst hatte. Ihr Planet stand vor dem Aus, sollte von der Sonne verbrannt werden. In der Hoffnung, dass man unsere Spezies noch retten konnte, hatte man riesige Earthscraper unter die Erde gebaut. Diese unterirdische Architektur glich ganzen Städten, für deren Durchquerung man vermutlich Wochen, wenn nicht sogar Monate, brauchte. So wollte man schon vor Eintritt der Supernova Schutz vor den Folgen der Umweltverschmutzung und des Klimawandels bieten. Smog und extreme Wetterkapriolen ging man somit aus dem Weg. Zumindest hoffte man das.
Wie durch ein Wunder überlebten die Menschen. Zumindest die, die es rechtzeitig geschafft hatten, sich einen Platz unter der Erde zu sichern.
Mein Großvater hatte Glück. Na ja, nicht wirklich, denn er war einer der Gründer des Earthscrapers und hatte somit den meisten Anspruch, seine Familie mitzunehmen.
Der Tag, an dem die Sonne die Erde verschlucken sollte, kam schneller und unerwarteter als gedacht. Es konnten längst nicht alle Menschen, die einen Platz in dieser unterirdischen Behausung hatten, gerettet werden.
Sie waren einfach verbrannt. Oder starben schon vorher, weil sie verdursteten. Denn Wasser gab es keines mehr. Die Meere, Flüsse und Seen waren ausgetrocknet. Tiere und Pflanzen starben in den Jahren aus, bis die Erde nur noch ein riesiger, sandiger Ball war.
Dem Tod geweiht.
Doch irgendetwas musste passiert sein, dass besagter Erdball immer noch existierte. Sonst hätten meine Großeltern nie ihre Kinder und Kindeskinder aufwachsen sehen können. Mein Großvater starb mit nur 60 Jahren an den Strahlen der Technik, mit denen er gearbeitet hatte. Doch er erlebte es zumindest noch, wie die AlphaOne ihren Dienst antrat.
Natürlich überlebten auch meine Eltern, die ebenfalls zwischen den Wänden dieses gigantischen Earthscrapers aufgewachsen waren. Und dann gab es da noch mich und meinen kleinen Bruder. Was sich meine Eltern dabei dachten, nach elf Jahren noch einmal schwanger werden zu wollen, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Ich wollte nicht sagen, dass ich Fin nicht über alles liebte und verdammt froh war, den kleinen Nervbold um mich zu haben, aber manchmal würde ich ihn gern in einer der Müllanlagen zusammenpressen lassen, damit er seine vorlaute Klappe hielt.
Jüngere Geschwister wurden doch immer bevorzugt und bekamen alles, was sie wollten, mein Bruder war quasi der Inbegriff von Verwöhnung und reizte diese Tatsache bis aufs Letzte aus.
Es interessierte mich schon, wie es oberhalb der Erdoberfläche aussah. Ob es keinen Unterschied mehr zwischen Tag und Nacht gab, ob wirklich -200 Grad herrschten. Doch dann war ich froh, dass ich sicher und beschützt in meinen vier Wänden lebte.
Gut, vier Wände war dermaßen untertrieben, aber es reichte, um die Situation zu verdeutlichen. Das war die Kurzfassung, wieso und weshalb wir hier lebten.
Die längere hatte ich mir fast jedes Jahr im Geschichtsunterricht anhören müssen und war heilfroh, seit Jahren nicht mehr zur Schule zu gehen. Mit 21 hätte ich mir zwar schon längst Gedanken über ein mögliches Studium oder eine Ausbildung machen müssen, aber ich verbrachte lieber die Zeit mit Dingen, die mir wirklich Spaß machten. Und das waren Zeichnen, Lesen, Videospiele spielen und meinen Bruder ärgern.
Ach ja, und meine Klamotten zu verschönern. Ich hasste die triste weiße Kleidung, die wir trugen. Einfach zum kotzen langweilig. Welch ein Glück, dass mein kreatives Hirn dazu gemacht war, viele kleine und manchmal auch so große Löcher in die Hosen oder Oberteile zu schneidern, dass mein Vater fast verrückt wurde. Meine Mutter sah ihn dann immer ganz verliebt an und schmunzelte nur. Kleinlaut gab sie ihm zu bedenken, dass sie doch ganz genauso in ihrer Jugend gewesen war.
Das quittierte Dad oft mit einem tiefen Seufzer und schenkte seiner Frau einen Kuss.
Da mir an diesem Punkt die Romantik echt zuwider wurde, verschwand ich immer in meinem Zimmer. In dem ich für mich sein konnte.
Ich wollte mich noch nicht an etwas binden, sei es an einen Beruf oder einen Mann. Ich flirtete gerne, das war kein Geheimnis, und ich hatte auch schon die ein oder andere flüchtige Bekanntschaft... Aber bisher sprach mich noch kein männliches Exemplar so sehr an, dass ich hin und weg gewesen wäre.
Ich war da vielleicht etwas altmodisch und wartete auf den Richtigen. Haha, die Auswahl war ja nicht besonders groß. Mein Jahrgang und die zwei Jahre vor mir waren ziemlich mädchenlastig.
Vielleicht sollte ich einfach mal das Ufer wechseln und das eigene Geschlecht erkunden. Abgeneigt war ich davon auf jeden Fall nicht.
»Meine liebe Nova-Lina Brown. Schön, dass wir uns mal wiedersehen.«
»Hör auf, so geschwollen zu reden. Das steht dir nicht. Und außerdem: Wer hat dir erlaubt mich so zu nennen?«, fauchte ich Christian mürrisch an.
»Das ist dein Name«, stellte er schlicht fest. Ja, und wie das mein Name war. Ich hasste ihn! Meine Eltern fanden es wohl ziemlich witzig, mich im Angesicht der Tatsache nach einem Stern zu benennen, der durch innere Explosionen ausstirbt. Klasse, Mom und Dad, damit habt ihr mir echt meine Kindheit gerettet. Nicht!
Jedes Mal, wenn mich jemand bei meinem vollen Namen nannte, gab es Gelächter und Getuschel.
Ich war Lina. Einfach nur Lina.
»Was kann ich denn heute Gutes für dich tun?«, fragte Christian, der seine gerahmte Brille mit den dicken Gläsern abnahm und mich über den Rand seines Bildschirmes holografischer Schallwellen, die direkt vor seiner Nase schwebten, ansah. Es war nicht einmal etwas Materielles, kein Vergleich mehr zu den klobigen Computern aus der Zeit, in der die Erde noch grün bewachsen und die Meere den größten Teil des Planeten eingenommen hatten. Auch unsere Fernseher und so gut wie jeder Stuhl, Tisch oder Schrank, nutzten eine Art von Ultraschallwellen, die alles mit Leichtigkeit bewegen ließ. Trotz der Schwerkraft hier unten. Super praktisch, wie ich finde, und ein ganz wunderbarer technischer Fortschritt. Besonders, wenn man ein Mensch ist, mit dem Drang nach stetigen Veränderungen. Da war es ein Leichtes, mein ganzes Zimmer umzuräumen, wenn es mich wieder einmal überkam.
»AlphaOne an Lina.« Chris fuchtelte mit seiner Hand vor meinen Augen umher.
»Ja ja, schon gut. Kannst du den hier reparieren?« Ich warf ihm den kaputten Controller zu, den er gekonnt auffing.
»Schon wieder? Sag mal, was machst du denn immer damit?«
»Kannst du oder kannst du nicht?«, fragte ich mit erhobener Augenbraue.
»Pff, was für eine Frage. Natürlich kann ich. Du hast mir schon schlimmere Dinge geliefert.« Damit verschwand er wieder hinter einem der riesigen Bildschirme und werkelte an dem Controller herum.
Ja, ich musste zugeben, ich kam gerne hier her. Aber das lag nicht nur an Chris, der in der Tat schon ziemlich gut aussah mit seinem trainierten Körper und den niedlichen Grübchen in den Wangen. Aber der eigentliche Grund war, dass ich mich nicht an den vielen technischen Geräten sattsehen konnte, die Christian in seiner kleinen Werkstatt zauberte.
Es gab hier vier Sektoren. Nord, Süd, West und Ost. Wir lebten in Sektor Ost und, wie ich fand, besaßen wir den besten Techniker dieser unterirdischen Basis. Christian war ein absolutes Genie und konnte ohne Ausnahme einfach alles reparieren, was in unserem Sektor zu Bruch ging.
Während Chris seine ganze Aufmerksamkeit meinem Controller widmete, spazierte ich in dem Raum umher und betrachtete die kleinen, technischen Wunder, die herumstanden.
Meine Augen wurden jedes Mal immer größer vor Staunen, und ich musste mich wirklich zusammenreißen nicht alles in die Hand zu nehmen. Die Gefahr bestand, dass ich wieder einmal etwas kaputt machte. Christian konnte es nicht leiden, wenn jemand, außer ihm selbst, seine Werke berührte, doch bei mir machte er da eine Ausnahme. Öfter als andere, durfte ich mir die Dinge in seiner Technikwerkstatt genauer ansehen.
Jedes SmartPad, das die Einwohner um das Handgelenk trugen, stammte aus genau diesem Raum.
Christian hatte dafür den höchsten Technikpreis bekommen, den man sich nur wünschen konnte. Aufgrund seiner Erfindung konnte jede erdenkliche Art von Daten des Besitzers gespeichert werden. Sogar ein Identifikationschip steckte in dem keinen Bildschirm um meinem Arm, der nicht nur mir, sondern allen anderen Bewohnern der Sektoren Eintritt in jedes Zimmer des Earthscrapers ermöglichte. Ausgenommen waren natürlich die privaten Gemächer. Ich wollte mir nicht ausmalen, was für ein schrecklicher Moment es sein musste, wenn plötzlich eine fremde Person in meinem Schlafzimmer stünde.
Obwohl, wenn er oder sie oder es gut aussehen würde und mir... Ich brauchte eindeutig die Zuwendung und Liebe eines anderen Menschen. Ich war ja regelrecht untervögelt!
»Bedien dich ruhig«, sagte Christian, als er sah, dass ich einen silbernen Ring in der Hand hielt, von dem ich nicht wusste, welche Fähigkeiten er besaß. Noch nicht, so wie ich Chris kannte. Der mir dieses kleine Ding an meinem Finger sicherlich gleich erklärte.
Ich sah ihn erwartungsvoll an, während ich den Ring um meinen Finger drehte.
»Das ist ein Prototyp eines neuen SmartPads. Ich wollte etwas, was nicht ganz so... groß und... weniger schick aussieht. Schalte ihn mal an.«
Ich starrte auf den Ring an meiner Hand und wusste nicht, wie ich es anstellen sollte, dieses äußerst brillante und hübsche Ding eines SmartPads in Gang zu kriegen.
Ich wackelte daher unsicher mit den Fingern und drehte an dem Ring umher, doch nichts passierte. Bevor mir die Situation noch unangenehmer wurde, meldete sich Chris rechtzeitig zu Wort, der mein Unwissen mit einem Schmunzeln betrachtet hatte. Sollte er gefälligst den Controller wieder reparieren, schließlich hatte ich noch ein Date mit der Konsole und meinem Bruder, bei dem es nicht gerade liebevoll zugehen würde. Die Revanchekonnte nicht länger warten.
»Du musst einfach nur mit deinem Zeigefinger über das Gehäuse streichen.«
»Wie soll ich das anstellen, wenn...«
»Mit dem Zeigefinger deiner anderen Hand.«
»Ah ja.«
Peinlich berührt tat ich, was Chris mir empfohlen hatte und wie durch ein Wunder fing der Ring an meinem Finger an zu leuchten. Der silbrig-blaue Schimmer gefiel mir äußerst gut, woraufhin ich beschloss, diesen Ring zu behalten, sobald ich es durfte.
»Cool«, sagte ich sichtlich beeindruckt und drehte meine Hand immer wieder hin und her. Diese neue Art des SmartPads gefiel mir tatsächlich gut. Viel besser und deutlich schlichter als dieses Armband, das um mein Handgelenk lag.
»Jetzt sag deinen Namen. Ja, deinen ganzen Namen und dann bist du registriert.«
Ich warf Christian einen bösen Blick zu und rollte mit den Augen. Warum ich auch immer mit meinem beschissenen Namen konfrontiert werden musste. Ich verfluchte meine Eltern für ihre Kreativität.
»Nova-Lina Brown«, sagte ich einen Tick zu schnell, denn der Ring reagierte nicht.
»Du musst es schon deutlich aussprechen.« Wieder warf ich einen Blick zu Chris rüber, der mich gar nicht ansah, denn er vollführte die wildesten Handgriffe an meinem ramponierten Controller.
»Nova. Lina. Brown«, betonte ich deshalb langsamer. Mir wurde diese ganze Sache echt zu blöd, aber was sollte ich tun, wenn mein Herz für den neuesten, heißesten Scheiß der Technik klopfte.
Ich liebte es einfach, neue Dinge zu entdecken und genauso genoss ich es, sie auszutesten. Wie gut, dass ich mit Christian zur Schule gegangen war und wir uns dadurch schon unser Leben lang kannten. Schon damals war er ein Fanatiker, was alles anging, was mit Technik zu tun hatte, und ein totaler Nerd. Doch seine Einzigartigkeit hatte sich ausgezahlt. Ich wusste schon damals, dass er einmal einen ganz besonderen Platz auf der AlphaOne haben würde. Natürlich. Ich hatte ja auch nichts anderes im Kopf als mir Gedanken über meine Mitmenschen zu machen. Als Teenager war ich wirklich schrecklich. Schrecklich anstrengend. Manchmal taten mir meine Eltern jetzt noch leid, dass sie meine miesen Launen und Stimmungsschwankungen ertragen mussten.
Ein Glück gab es keine Türen, die man hätte zuschlagen können. Denn das hätte ich ganz bestimmt mit Genuss und mit einer unangenehmen Häufigkeit getan.
Der Ring teilte sich in zwei, nachdem ich ihm meinen Namen verraten hatte, und es stieg eine mir bekannte Lichtsäule empor. Das hatte sich also zu dem altbekannten SmartPad nicht geändert. Man konnte ja auch nicht alles neu erfinden. Selbst Christian nicht, der seine Arbeit an dem Controller für beendet erklärte und sich zu mir gesellte.
»Willkommen, Nova-Lina Brown.«
»Heilige Scheiße!« Ich erschrak und wich einen Schritt zurück. Was jedoch völlig sinnlos war, denn der Ring blieb weiterhin an meinem Finger.
»Das Ding kann ja sprechen«, stellte ich erstaunt fest.
»In der Tat. Ich kann auch rechnen, lesen, eine Bestellung aufgeben und vieles mehr. Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
Mit offenem Mund starrte ich auf die kleine Lichtsäule, in der nun das Gesicht einer jungen Frau zu sehen war. Einer viel zu perfekten, jungen Frau.
»Das ... das Ding kann denken?«
Christian lachte auf. »Natürlich. Denkst du, ich gebe mich mit den alten Sachen zufrieden? Ich wollte etwas Neues erschaffen. Daher habe ich einfach die alte künstliche Intelligenz in diesen Ring übertragen. Na ja, und habe sie ein wenig verändert. Die alte Alpha hat kein gutes Bild mehr abgegeben.«
Die KI, die mein Großvater zusammen mit vielen weiteren Wissenschaftlern erfunden hatte, führte uns durch unseren Alltag und war jederzeit zur Stelle, wenn Hilfe benötigt wurde.
Dennoch war es komisch, eine neue Stimme zuhören, die wiederum nicht menschlich war, aber dem erschreckend nahekam.
»Wow«, stieß ich anerkennend aus und wippte mit dem Kopf. Das war wirklich klasse. Ich musste diesen Ring haben!
»Wie heißt sie denn?«, fragte ich.
»Frag sie doch selbst.« Christian zwinkerte mir zu und nickte in Richtung der Frau, die mich erwartungsvoll ansah. Sie wartete auf einen Befehl von mir.
Mit pochendem Herzen traute ich mich, mit der neuen Intelligenz zu reden.
»Okay. Also, wie heißt du?« Das klang einfach so kindisch in meinen Ohren. Als würde mein sechsjähriges Ich ein anderes Kind fragen, ob es mit mir spielen wollte. Im Grunde genommen entsprach das sogar fast der Wahrheit, denn ich wollte mit diesem Ding spielen. Also mit dem Ring, nicht mit der Frau. Obwohl... so schlecht sah sie gar nicht aus.
Meine Güte, Lina! Such dir einen Kerl.
»Mein Name ist Ava.« Kurz und knapp. Was hatte ich erwartet? Dass Ava jetzt Smalltalk mit mir führte?
»Es ist ein Prototyp und wurde noch nicht getestet. Also, wenn du Lust hast, dann kannst du den Ring gerne behalten.«
»Echt jetzt?« Ich drehte mich zu Christian um, der mich liebevoll anlächelte. Ich kannte dieses Lächeln, und es verhieß wenig Gutes.
Oh, bitte nicht, schau mich nicht so an! Bitte, du darfst nichts für mich empfinden. Außer tiefe Freundschaft!
»Natürlich, ich könnte mir niemand anderes vorstellen. Du brennst für meine Erfindungen, und ich weiß, dass sie bei dir in guten Händen sind. Trage Ava eine Woche mit dir rum und dann berichte mir, wie es war.« Wie er ihren Namen aussprach, klang fast schon so, als rede er von einer realen Person, die sich mit uns im Raum befand und deren materielle Aura allgegenwärtig war. Als würde Ava sich im nächsten Moment von einer holografischen Abbildung in einen Menschen aus Fleisch und Blut verwandeln. Mit einem genialen Verstand noch dazu.
»Das wäre wirklich klasse! Danke. Ich verspreche dir, dass ich Ava nicht kaputt mache.« Ich hob zum Schwur zwei meiner Finger und überkreuzte sie. Also, wenn das nicht Beweis genug war, dann wusste ich auch nicht.
Christian lachte kurz auf. »Irgendetwas sagt mir, dass ich Angst um meine Erfindung haben sollte.« Dabei betrachtete er den Controller, der noch vor zehn Minuten nicht einmal ansatzweise nach einem brauchbaren Gegenstand aussah, und nun nicht einen Kratzer aufwies.
Unglaublich.
Ich boxte ihm mit der Faust an seinen Oberarm, den er sich übertrieben rieb. Schauspieler, ich hatte nicht einmal kräftig zugeschlagen.
In meiner Kindheit hatte ich mich oft geprügelt. Zum Glück war ich in meiner Pubertät zu einem ruhigeren Mädchen geworden, nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich nicht diese Wandlung hingelegt hätte.
»Also gut, dann werde ich Ava in Ehren halten und sie dir heil wiederbringen. Danke nochmal. Auch für das hier.« Ich nahm den Controller entgegen und hielt ihn kurz hoch.
»Kein Problem, du weißt, dass meine Tür für dich immer offen steht.« Da war es wieder. Dieses Lächeln. Zeit zu verschwinden.
Ich verabschiedete mich mit einem einfachen Kopfnicken. Ich hasste Umarmungen. Konnte es überhaupt nicht leiden, wenn mich einer knuddeln wollte. Grausam. Das war deutlich zu viel Nähe und dann meist von Menschen, die man nicht einmal wirklich mochte. Das Einzige, abgesehen von meinem kleinen Bruder, den ich doch ganz gerne mal an mich drückte, was sich an mich kuscheln durfte, waren meine heißgeliebten Socken. Es gab nichts Besseres als Kuschelsocken.
Ich bezweifelte, dass dort oben irgendwo eine kleine, runzlige Omi saß, die zwischen Staub und trockenen Bäumen Kuschelsocken häkelte. Obwohl die Vorstellung ziemlich witzig war.
Immer noch fasziniert, verließ ich die heiligen Hallen des Christians. Mit einem Ring an meinem Finger, der herrlich silber-blau leuchtete. Erstaunlich, mit welchen simplen Dingen man mich glücklich machen konnte.
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